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Dieses Thema hat 8 Antworten
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mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

28.12.2008 11:36
Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Hilfe!!! Vielleicht kann mir einer von Euch helfen. Ich suche Informationen (insbesondere interessante Links) zum Thema "Leben in Jerusalem" in der Zeit von etwa 1240 bis zur Eroberung durch die Seldschuken 1244. Hat irgend jemand vieleicht mal was davon gehört, wie so die Verteilung der unterschiedlichen Glaubensrichtungen (Moslems, Christen, Juden) in der Stadt war? Vielleicht, wie das Zusammenleben sich getaltete. Ich recherchiere gerade für einen längeren Artikel, kann aber zu dieser Zeit kaum was finden. Meistens dreht es sich um die ersten Kreuzzüge oder um die Eroberung durch Sultan Saladin. Vielleicht habt Ihr ja Ideen, bin für jede dankbar.

Liebe Grüße
Mara und die Zwerge

Johannes von Vogelsang ( gelöscht )
Beiträge:

29.12.2008 13:13
#2 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

zur Vorgeschichte:
Nachdem die Römer den Bar-Kochba-Aufstand (132 - 135) niedergeworfen hatten, verboten sie es den Juden, Jerusalem (Aelia Capitolina) zu betreten. Konstantin der Große baute über dem vermeintlichen Grab Jesu (Heiliges Grab) die Grabeskirche, wodurch Jerusalem sich zu einem der bedeutendsten christlichen Wallfahrtsorte entwickelte. 638 eroberten die Araber die Stadt. Kalif Abd Al Malik errichtete 688 bis 691 über dem Felsen, auf dem Abraham bereit gewesen sein soll, Isaak zu opfern, den (inzwischen mehrmals restaurierten) Felsendom, der nach der Kaaba zum zweitwichtigsten islamischen Heiligtum wurde – wodurch Jerusalem für die Muslime eine besondere Bedeutung gewann. 1071 entrissen die Seldschuken Jerusalem den Fatimiden, die dort seit 969 geherrscht hatten und die Stadt 1098 zurückeroberten. Im Jahr darauf erstürmten die Kreuzfahrer Jerusalem.
1144 eroberten die Seldschuken Edessa, der zuerst gegründete Kreuzfahrerstaat war damit auch als Erster wieder untergegangen. Der Fall Edessas schreckte den Westen auf. 1145 rief Abt Bernhard von Clairvaux zum 2. Kreuzzug auf. König Ludwig VII. von Frankreich, der Stauferkönig Konrad III. und Roger II. von Sizilien folgten diesem Aufruf und machten sich im Frühsommer 1147 mit ihren Heeren Richtung Jerusalem auf. Konrads Truppen wurden bereits bei Dorylaeum - dem heutigen Eskişehir - in Anatolien von den Seldschuken geschlagen, ein Großteil der Soldaten und Pilger kehrte demoralisiert und verängstigt um. Von den französischen Truppen erreichte ebenfalls nur ein kleiner Teil 1148 das Heilige Land, nachdem der Rest unterwegs aufgerieben worden war. Zusammen mit König Balduin III. von Jerusalem entschlossen sich Ludwig und Konrad im Juli zu einem Angriff auf Damaskus, der aber bald wegen völlig unzureichender Vorbereitung abgebrochen werden musste, worauf beide im Frühjahr 1149 nach Europa zurückkehrten.
1244 eroberten choresmische Söldner im Dienst des Ayyubiden-Sultans As-Salih die Stadt. 1260 wurde die Ayyubiden-Dynastie von den Mamluken abgelöst, die Jerusalem bis ins frühe 16. Jahrhundert beherrschten. Jerusalem hatte damals weniger als 10.000 Einwohner und keine politische Bedeutung. Unter muslimischer Herrschaft galten nur die Muslime als vollgültige Bürger. Christen und Juden mussten sich durch ihre Kleidung kenntlich machen. Sie durften ihre Religion als Anhänger einer Buch-Religion zwar im Allgemeinen ausüben, wurden aber rechtlich in fast allen Lebensbereichen diskriminiert und mussten eine Zusatzsteuer zahlen. Dennoch existierten in dieser Zeit immer ein christliches und ein jüdisches Viertel in der Stadt und ein ständiger, wenn auch kleiner Strom von christlichen und jüdischen Besuchern und Pilgern.
Im Jahre 1516 wurden die Mamluken in Syrien von den osmanischen Türken besiegt. Sultan Selim I. (1465–1520) gewann Ägypten, Arabien und Syrien. Jerusalem wurde zum Verwaltungssitz eines osmanischen Sandschaks (Regierungsbezirk). Die ersten Jahrzehnte der türkischen Herrschaft brachten Jerusalem einen deutlichen Aufschwung.

Nach 1535 ließ Sultan Süleyman I. (1496–1566) die Befestigungen der Stadt in zum Teil veränderter Linie erneut errichten, so wie sie gegenwärtig zu sehen sind. Durch diese Mauern erhielt die Altstadt ihre heutige Struktur. Die viel zu großen neuen Mauern um den heiligen Symbolort sollten für die neue Herrschaft ein Zeichen setzen. Jerusalem gewann in der Folgezeit viel an Bedeutung. Die osmanische Verwaltung war sich uneinig in ihrer Haltung gegenüber den Juden und Christen und schwankte zwischen Gewaltherrschaft und Toleranz.

Die verarmten Juden und Christen lebten überwiegend vom Pilgergewerbe. Der Besitz der Heiligtümer Jerusalems war wegen der damit verbundenen Almosen eine lebenswichtige Einnahmequelle. Aus diesem Grund kam es damals teilweise zu erbitterten, manchmal gewaltsamen Konflikte unter den christlichen Kirchen um einzelne Besitzrechte. Ab 1860 kamen durch die zionistische Alija (Einwanderung) immer mehr Juden in die Stadt, und es wurden erste Wohngebiete außerhalb der Stadtmauern gegründet. Jerusalem blieb osmanische Stadt, bis sie am 9. Dezember 1917 von britischen Truppen unter Führung des Generals Edmund Allenby besetzt wurde, die im Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich kämpften.
ich hoffe geholfen zu haben.

mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

29.12.2008 14:33
#3 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Wow, sehr ausführlich, aber dennoch präzise zur Geschichte. Meine Frage zielte aber eher darauf ab:
nachdem Friedrich II. mit Sultan al-Kamil im Jahre 1229 den Vertrag zur Übergabe von Jerusalem an die Franken für 10 Jahre ausgehandelt hatte (wofür beide von ihren Landsleuten bekanntermaßen sehr "verteufelt" wurden, lebten nach meinen Recherchen Moslems und Christen (insbesondere auch armenische Christen (Siehe Zionskloster) friedlich gemeinsam in der Stadt. Ein großer teil der Juden war schon im Kreuzug unter Gottfried von Bouillon dahingemetzelt worden. Ich versuche herauszufinden, ob es um 1243/ 1244 noch einige in der Stadt gab.
Laut den Geschichtsbüchern, die ich bisher gewälzt habe, wurde im August 1244 die Stadt von den Choresmiern gestürmt. Zuerst die Zitadelle. Dann konnte der damalige Patriarch von Jerusalem, Robert von Nantes, den eingeschlossenen Bewohnern zu Hilfe eilen und erreichte es, dass etwa 6000-7000 Christen die Stadt in Richtung Meer verlassen konnten. Sie waren noch nicht weit gekommen, da sahen einige, die zurückgeblickt hatten, auf den Zinnen der Mauern die Fahnen der Kreuzritter. In dem Glauben, dass ein Ersatzheer angekommen sei, kehrten sie um. Vor den Mauern wurden dann viele niedergemetzelt, Kinder und Jungfrauen in die Sklaverei verschleppt, nur etwa 300 schafften es, in Jaffa anzukommen, nachdem sie unterwegs noch von räuberischen banden überfallen wurden. Von jüdischen Bewohnern habe ich in dieser Zeit nichts gefunden, sind die erst nach der Eroberung durch die Muslime wieder zurückgekehrt oder hat ein Teil von ihnen die ganze Zeit in der Stadt gelebt?

Johannes von Vogelsang ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2008 09:12
#4 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten
Folgende Fakten sind mir bekannt und hab sie in Papierform vorliegen:

Von der Vertreibung der Juden aus Palästina durch die Römer bis zur Gründung Israels war Jerusalem eine überwiegend arabische Stadt.

Anders als manche Araber uns gerne glauben machen würden, haben schon lange vor 1948 in Jerusalem mehr Juden als Araber gelebt:

Bevölkerung Jerusalems:

Jahr-----Juden-----Moslems-----Christen
1844-----7120------5000--------3390
1876-----12000-----7560--------5470
1896-----28112-----9650--------8748
1922-----33971-----13413-------14699
1931-----51222-----19894-------19335
1948-----100000----40000-------25000
1967-----195700----54963-------12646
1970-----215000----61600-------11500
1983-----300000----105000------15000

Diese Zahlen stammen aus der Encyclopedia Britannica (1844), dem französischen "Indicateur de la Terre-Sainte" (1876), dem "Palästinensischen Kalender" (1896) sowie aus amtlichen und halbamtlichen Volkszählungen in Jerusalem und Umgebung; sie sind teilweise verdächtig genau, und sicher nicht mit modernen Zählergebnissen zu vergleichen. Aber sie widerlegen doch die häufige arabische Behauptung, erst durch die Gründung Israels wäre das bis dahin vorwiegend arabische Jerusalem zu einer Stadt der Juden geworden.
Bis heute sind die Bevölkerungszahlen aus dem jüdischen und christlichen Viertel nicht bekannt, werde aber mal in der Vatikanbibliothek recherchieren,obwohl ich sicher bin, diese Zahlen sind getürkt, da die Kirche immer alles türkt.
Gruß Johannes
mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2008 18:01
#5 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Danke, lieber Johannes, fürdie vielen Zahlen. Leider helfen sie mir nicht wirklich weiter. Da ich über eine Pilgerreise vor dem Fall Jerusalems schreiben möchte, interessiert mich natürlich die Zeit von 1229 bis 1244. Ich gehe aber mal davon aus, dass nach der Eroberung durch Sultan Saladin im Jahre 1187 auch wieder Juden in Jerusalem Einzug hielten. Auf allen Stadtplänen, die aus dem Mittelalter stammen ist ein jüdisches Viertel erkennbar, und die Moslems hatten weitaus weniger Probleme mit ihren jüdischen Nachbarn als die Christen. Daher müssten in der Zeit Armenier, Muslime (vorrangig ägyptischer Herkunft, eventuell auch Kurden (wie Saladin), Franken und Juden unterschiedlicher Herkunft dort gelebt haben.

mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2008 18:03
#6 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Schau mal, habe ich geklaut bei http://de.wikipedia.org/wiki/Altstadt_(Jerusalem)#Das_j.C3.BCdische_Viertel

Das jüdische Viertel

Die Juden lebten bis in die Kreuzfahrerzeit hinein im Nordosten der Stadt. Dieses Viertel wurde nach der Eroberung Jerusalems aber vollständig zerstört. Nachdem der sephardische Rabbi Nachmanides „Ramban“ 1267 nach Jerusalem gekommen war, begann er mit dem Aufbau einer neuen jüdischen Gemeinschaft im Südosten. Starken Zulauf erhielt diese Gemeinschaft nach der Ausweisung der Juden aus Spanien 1492 und seit dem 18. und 19. Jahrhundert durch die Ausweisung von Juden aus Osteuropa.

mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2008 18:10
#7 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Noch eine Quelle:
Rabbi Mosche ben Maimon, auch bekannt als Moses Maimonides, jüdischer Gelehrter und Arzt, (* um 1135 in Cordoba) war der Leibarzt von Sultan Saladin. Als er 1204 in Kairo starb, wurde in Jerusalem eine dreitätige Trauerzeit angeordnet. Kann mir kaum vorstellen, dass da nur Muslime um einen jüdischen Rabbi trauerten. Beerdigt wurde er in Tiberias, welches - glaube ich - auch zum Königreich Jerusalem gehörte.
Johannes, danke für die Anregungen. Manchmal muss man eben nur einen kurzen Umweg machen, um wieder auf den rechten Pfad zu kommen.

Liebe Grüße Mara

Johannes von Vogelsang ( gelöscht )
Beiträge:

31.12.2008 12:30
#8 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Hast vielleicht was überlesen:
Jerusalem hatte damals weniger als 10.000 Einwohner und keine politische Bedeutung. Unter muslimischer Herrschaft galten nur die Muslime als vollgültige Bürger. Christen und Juden mussten sich durch ihre Kleidung kenntlich machen. Sie durften ihre Religion als Anhänger einer Buch-Religion zwar im Allgemeinen ausüben, wurden aber rechtlich in fast allen Lebensbereichen diskriminiert und mussten eine Zusatzsteuer zahlen. Dennoch existierten in dieser Zeit immer ein christliches und ein jüdisches Viertel in der Stadt und ein ständiger, wenn auch kleiner Strom von christlichen und jüdischen Besuchern und Pilgern.

mara vom nikolassee ( gelöscht )
Beiträge:

31.12.2008 17:16
#9 RE: Jerusalem bis 1244 Zitat · Antworten

Hallo Johannes,

Ich glaube, mein Beitrag schließt Deine Antwort nicht aus. Sicherlich waren die Muslime bis 1229 die vorherrschnde Klasse in der Stadt. Nachdem die Mauern geschleift waren (habe mal in einem Buch gelesen, dass sich das "entfestigen" nennt), war die Stadt politisch sicherlich nicht besonders bedeutsam, aber immer noch ein Heiligtum für alle drei Religionen. Die Juden wegen des Tempelberges, auf der ja nun kein Tempel mehr, aber zumindest noch die Klagemauer stand, die Christen hauptsächlich wegen der Grabeskirche und die Muslime, weil Mohammed von hier seinen Weg nach Mekka angetreten haben soll.
Ich habe in einer kleinen Abhandlug über Friedrich II. im Heiligen land gelesen, dass die Tempelritter stinksauer gewesen sein sollen, als er den Vertrag mit Sultan al-Kamil bezüglich der Übergabe der Stadt machte. Allehatten ihr Eigentum zurück bekommen, aber ausgerechnet das Haus der Templer, die damalige al-aksa-Moschee wurde weiterhin den Muslimen vorbehalten. Friedrich soll sogar richtig gewütet haben, als er einen christlichen Mönch auf dem Weg in die Moschee sah.

Liebe Grüße und einen guten Rutsch
Mara und die Zwerge

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